Halbzeit Schule-Istzustand

Jetzt ist etwa Halbzeit für meinen Schuljob. Zeit, eine Nachdenkpause einzulegen.

Was hat sich getan? Was nehme ich mir für die zweite Hälfte vor?

Die Schule hat weniger Lehrer als Klassen, in der Nachbarschule ist das auch so. Eine voll geprüfte Lehrerin verdient 9000 Baht im Monat, die andere nicht fertig geprüfte 5000 Baht im Monat. Ich habe bis jetzt nicht gefragt um Pensionsansprüche, Krankenversicherung…..

Es gibt aber auch männliche Lehrer in der Schule, die meist im Lehrerzimmer am Computer sitzen, aber selten im Unterricht sind. Keine Ahnung, welche wichtigen Dinge die dort machen. Aber ich habe gelesen, dass es Teil des politischen Systems ist, Leute mit zu ziehen…. Ob diese Gedankenverknüpfung stimmt, kann ich nicht sagen.

Die beiden Schulen sind besser ausgestattet als ich erwartet hatte: Es gibt 2 Multifunktionsdrucker, WLAN (auch für Schüler, aber ich habe keine an einem Computer arbeiten gesehen). Computer sind Privatsache. In jeder Klasse gibt es einen funktionierenden kleinen Fernseher. Ich konnte überall meinen Computer mit meinem mitgebrachten Konverter anschließen!

Es gibt ein Schulbudget und der Direktor ist anscheinend gut im Fundraising.

Nach einem Tag Regen ist die Gegend im Gatsch versunken. Er hat Geld aufgetrieben, ein Fußballfeld und einen Sportplatz zu betonieren. An einem Wochenende sind mindestens 80 Erzieher aus der Umgebung angerückt und haben von Freitag bis Sonntag heftigst gewerkt und in den Klassenzimmern biwakiert. Ist nicht ganz fertig geworden, ist aber weiter gemacht worden von einer kleineren Mannschaft. Die Aktion wurde vom Dorf unterstützt. KiddiChai war ja lange Jahre Mönch und wenn im Dorf irgendeine Zeremonie gebraucht wird, so tut er das. Dafür kriegt er Unterstützung in Schulangelegenheiten.

Das Schuljahr geht von Mai bis März. Über Lehrpläne konnte ich nichts in Erfahrung bringen. Das Thailändische Schulsystem ist bekannt schlecht (zum Unterschied zu Malaysia und Neu Seeland). Es soll jetzt ein neuseeländisches Team ein Konzept ausarbeiten.

Ich habe 2 Englischbücher gesehen, das eine erscheint mir brauchbar, ist schön bunt, ich bin alle 6 Jahrgänge durch gegangen und meine, wenn das abgearbeitet werden könnte, entspricht das vermutlich A2 Level. Allerdings hat nicht jedes Kind ein Buch, es gibt auch keine Schülerlade. Und die Englischlehrerin, die aus der Karenz gekommen ist, hat gar kein Buch.

Sie spricht auch kaum Englisch (wie es beim Schreiben ist, weiß ich nicht, ich habe sie erst 2 Tage gesehen).

Das thailändische Schulsystem basiert hauptsächlich auf auswendig lernen und abschreiben. Ich habe festgestellt, dass die 3. Schulstufe nicht lesen kann. Die Winzlinge der 1. Klasse erscheinen mir komplett überfordert, sowohl Thai als auch Lateinschrift lernen zu müssen. Zudem kommen mir die Entwicklungsunterschiede bei den Kindern größer vor als bei uns. Dazu kommen die Probleme durch die unterschiedlichen Strukturen der beiden Sprachen.

Weil durch den Lehrermangel so viele Stunden ausfallen, ist der Wissensstand natürlich gering. Und weil die Leute arm sind war auch kaum ein Kind jemals in der nächsten Stadt, in Bueng Kan. Der Unterschied Dorf-Stadt-Großstadt-Staat ist ihnen absolut unbekannt.

Wer nicht aus seiner engsten Umgebung heraus kann, weiß auch zu wenig, um neugierig zu sein……

Die Kinder sind ungemein brav, diszipliniert, eigenständig – waschen ihr Mittagsgeschirr, putzen die Schule…..aber alles wird sozusagen im „Gänsemarsch“ erledigt. Einem Anführer wird blindlings gehorcht.

Dazu kommt für mich noch der Kulturunterschied, als Österreicherin in eine amerikanische NGO eingebunden zu sein. Ich habe keine Sprachlehrerausbildung, die amerikanischen Sprachlehrer, die in Bueng Kan in einer Privatschule unterrichten schon. Auch wenn ich jetzt 1 Jahr Singen gelernt habe, ist das viel zu wenig, um es im Unterricht sinnvoll einsetzen zu können.

Und bis jetzt habe ich keine Unterrichtsstunde nach dem amerikanischen Muster gesehen.
Ich höre nur immer, alles soll „fun“ sein und lustig und weiß aber nicht, was sich amerikanische Lehrer drunter vorstellen. Daher kann ich es mir nicht durch den Kopf gehen lassen und eventuell auf meine Fähigkeiten umarbeiten.

Ich spüre also ziemliche Kluften zwischen den 3 Kulturen.

Huch, das ist viel, habe aber nur die wichtigsten Beobachten aufgeschrieben. Es fehlt der englische Teil, und was ich mir weiter vornehme!

Für heute: Schluss also

 

4 Responses to 'Halbzeit Schule-Istzustand'

  1. Caroline says:

    Vielen Dank für diesen hoch interessanten Bericht, liebe Helga! Das sind ja wirklich “mehrere Welten”-Entfernungen zwischen den Schulsystemen einerseits und den realen Gegebenheiten vor Ort andererseits!
    Ich bewundere dich für deinen hohen Grad an Aufmerksamkeit all dem gegenüber, was dich umgibt. Du beobachtest offenbar sehr scharf und schilderst in deinem Blog sehr sachlich und gut verständlich.
    Und du scheinst mit “Fragezeichen” sehr viel besser umgehen zu können, hast einen enormen Gewinn an Gelassenheit erzielt – super! Ich freue mich schon sehr auf deinen nächsten Bericht! Bussi, Caroline

  2. Marion Mueller says:

    Ich bin beeindruckt von deiner Sachlichkeit und Gelassenheit. Kurz wegen ohne Computer. LG Marion

  3. Jana Berlin says:

    Hallo Helga,
    wieviel ist 9.000 oder 5.000 Baht?
    Und wie sind im Verhältnis dazu die Lebenshaltungskosten?
    we z.B. Miete, 1 kg Reis, Tomaten, 1 Abendessen auswärts, 1 L Wasser.
    Das würde mich sehr interessieren, damit ich mir ein tatsächliches Bild vom Lebensstandard der Lehrer machen kann.
    Wer sucht eigentlich Lehrer für en Englisch-Unterricht aus, die nicht Englisch sprechen können? Wie unterrichten die?
    Wie können Kinder abschreiben, wenn sie nicht lesen können?
    Ich hätte eine solche Schulsituation nicht in Thailand erwartet, wie du sie schilderst. Ist das nur auf dem platten Land so? Oder in grossen Städten auch?
    Kannst du das in Erfahrung bringen?
    Können diese Schüler irgendwann einen Bereuf ausüben? Wenn ja, welche kommen in Frage? Oder werden sie wieder Bauern?
    Kein Wunder, dass für viele dann Prostitution oder der Kinderverkauf dann die letzte Möglichkeit ist, irgendwie an Geld zu kommen.
    Ich hoffe für dich, dass du die Herausforderung dieser Situation gut meisterst und gestärkt daraus hervorgehst. Irgendwas wirst du schon erreichen, hoffe ich zumindest.
    Liebe Grüsse, Umamrmung und Bussis
    Jana

  4. Gerda says:

    Liebe Helga!
    Du machst offensichtlich nahezu journalistische Recherchen, damit du diese genauen Informationen über das Schulwesen geben kannst.Danke!
    Die Initiativen des Direktors sind ja bei diesen Umständen bemerkenswert.
    Für die 2. Hälftw deiner schulischen Arbeit wünsche ich viel Erfolg (positives feed-back der Schüler und Lehrer)und weiterhin die enorme – nahezu asiatische Gelassenheit – bei den Herausforderungen.
    Alles Liebe Gerda

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